Diesen Sommer durfte ich das Zentrum in Americana bei São Paulo zum ersten Mal besuchen. Es wurde vor zwei Jahren eröffnet und ich wusste nicht, was mich dort erwarten würde. Americana ist eine gut strukturierte Kleinstadt und ich habe mich vorgängig gefragt, warum der Projektstandort nicht in einem der grossen Armenviertel mit bis zu 200‘000 Einwohnern in São Paulo gewählt wurde.

Von der Leiterin Raquel erfuhren wir von diversen Einzelschicksalen, das Elend, das jedoch alle Kinder betrifft, haben wir aber erst bei einem Gang durch Americana bemerkt. Die Siedlung besteht nur aus Holzbaracken mit Blechdächern und wurde ohne Erlaubnis auf einem steilen Grundstück der Stadt errichtet. Schon länger ist bekannt, dass die Stadt die Siedlung abreissen und ihr Land bebauen möchte.

Die Einwohner leiden an übertragbaren Krankheiten, weil die Behausungen nicht beheizbar sind und die hygienischen Verhältnisse im ganzen Quartier ohne Kanalisation zum Teil katastrophal sind.  Auch herrschen dort mafiaähnliche Strukturen mit eigenen Gesetzen und illegalen Tätigkeiten. Raquel brauchte für unseren Gang durch die dünnen und steilen Gassen die Erlaubnis des Bandenführers und wir mussten von einer Bewohnerin, einer Mutter von Kindern von Operation Rescue, begleitet werden. Da wir von allen Leuten wohlwollend begrüsst wurden, habe ich die die Mutter gefragt, weshalb die Bandenchefs unsere Arbeit in diesem Quartier dulden und sogar ihre Kinder in unser Zentrum schicken. Die Antwort hat mich tief berührt. Die Eltern wissen, dass ihren Kinder bei Operation Rescue nahegelegt wird, ein anderes Leben anzustreben und selbst keine kriminellen Wege zu verfolgen, und gerade deswegen schicken sie die Kinder zu uns. Unsere Arbeit und das Team wird von den Eltern geliebt, sowie auch die Werte, die den Kindern mitgegeben werden, denn die Eltern wollen nicht, dass ihre Kinder den gleichen Weg einschlagen wie sie. Sie wünschen ihnen einfach ein besseres Leben.

Laut Schätzungen leben bis zu 1000 Kinder alleine in diesem Quartier. Der Standort von Operation Rescue ist perfekt gewählt und die Arbeit dort notwendig, aber statt 60 – 80 Kindern möchten wir in den nächsten Jahren mindestens doppelt so vielen helfen können. Dies bedingt ein zweites oder ein grösseres Zentrum, ein grösseres Team – und dazu sind wir für Ihre Unterstützung dankbarer denn je!

Christian Baumann

Geschäftsführer Operation Rescue – Schweiz